1. Der greise Papst und die geöffnete Tür
Guten Morgen, verehrte Hörerinnen und Hörer
Ein faszinierendes Bild ging um die Welt: Weihnachten 1999, vor genau einem Jahr: ein alter Mann, verfolgt von Kameras und Millionen Zuschauern, einsam zusammengesunken in einer großen, geöffneten Tür.
Der greise Papst, vorn über gebeugt in einem übergroßen Chormantel, im Gebet versunken bei der Eröffnung des Heiligen Jahres: Von Anfang an war es das Programm dieses Papstes, „Christus, dem Erlöser, die Türen zu öffnen“.
Das Bild hat Symbolwert: Es bringt die Hinfälligkeit und Gebrechlichkeit dieses Menschen zum Ausdruck, seine Zerbrechlichkeit angesichts der übergroßen Aufgabe, den Menschen die Tür zum christlichen Glauben aufzustoßen.
Zum Glück hat Gott selbst die Tore weit aufgemacht, die Tore seiner Güte; darin finden wir Menschen Vergebung, Trost, Zuversicht, Perspektive. Gott hat es sich nicht nehmen lassen, aus der Höhe und Erhabenheit des Himmels herabzusteigen und in Jesus den Weg zu uns zu suchen. Der Tür zum Himmel, zum Vater, steht offen.
Eben dieser Jesus hat einmal in einem Bild von sich gesagt, er selbst sei die Tür, durch die man zu Gott gelangen kann. Könnte es nicht ein Versuch wert sein, sich neu mit diesem Jesus auseinanderzusetzen? Da wäre zum Beispiel die Möglichkeit, sich mit der Bibel zu beschäftigen und nachzulesen, was dieser Jesus gesagt und getan hat, wie er gelebt hat, wie gestorben ist. Man könnte auch in eine der geöffneten Kirchen eintreten; dort sind in diesen Tagen Weihnachtskrippen aufgebaut und laden zum Verweilen ein. Vielleicht läßt sich dort auch ein kleines Licht anzünden, als Zeichen für unseren guten Willen und den oft so schwachen Glauben. Und warum versuchen wir nicht, wieder ein persönliches Gespräch mit Gott anzufangen, wenn auch holperig, vielleicht nach Jahren ...
Verehrte Hörerinnen und Hörer, die Türen sind offen, das ist die Botschaft von Weihnachten. Wer so versucht, sich auf diesen Jesus einzulassen, ihm nachzugehen, wird möglicherweise spüren, daß sich plötzlich Türen öffnen, wie das eigene Leben Farbe bekommt, daß all das Leiden und Mühen einen Sinn hat und in der eigenen Geschichte ein roter Faden erkennbar wird. Die erste Frucht wird sein, daß wir in uns selbst den Frieden finden, einen Frieden, den man sich mit Geld nicht kaufen kann.
Der greise Papst in der geöffneten Tür: Ich erkenne in diesem Bild eine Kirche, in der ein ganzes Jahr lang „Tag der offenen Tür“ ist. Viele Pilger sind in diesem Jubiläumsjahr nach Rom gekommen, zwei Millionen Jugendliche allein zum Weltjugendtag; sie haben die Heilige Pforte durchschritten und mit diesem symbolischen Akt ihren Glauben erneuert.
Verehrte Hörerinnen und Hörer. Die Heilige Pforte in Rom wird in wenigen Tagen, am Fest der Heiligen Drei Könige, wieder geschlossen. Doch die Türen zu Gott, zum Leben des Himmels, bleiben offen, auch über die Jahreswende hinaus; vielleicht brauchen wir noch etwas Zeit, um an der Schwelle stehenzubleiben, aber irgendwann sollten wir uns einen Ruck geben und eintreten, am besten bald.