1 - Geh hinauf und halte Ausschau!
Guten Morgen, verehrte Hörerinnen und Hörer!
Wer sich Haifa, der großen Stadt im Norden Israels, vom Meer her nähert, der entdeckt als erstes den Karmel, jenen charakteristischen Höhenzug, der weit über der Stadt aufragt, gleichsam ihr Vorposten ist: „Stella maris“ – Meeresstern und bedeutender Aussichtspunkt.
Dort muss man sich jene Szene vorstellen, von der die Bibel berichtet: Elija, der große Prophet Israels, hat sich dort in eine Höhle zurückgezogen. Schon drei Jahre dauert die Dürrezeit, bleibt der Himmel verschlossen, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Denn das Volk Gottes hatte sich wieder einmal von Gott abgewandt, und Gott, so scheint es, hat sich zurückgezogen: der Himmel bleibt verschlossen, der Zugang zu Gott ist verschüttet, die Gebete dringen nicht durch, drei quälende Jahre lang.
Aber jetzt ändert sich etwas. Elija, der letzte noch übrig gebliebene Prophet, tritt auf den Plan. Er liefert dem Volk eine eindrucksvolle Demonstration von der Größe des einzigen und wahren Gottes. Während er den Diener ausschickt, er solle über das Meer Ausschau halten, kauert er sich nieder, den Kopf zwischen den Knien und betet inständig. All seine seine Not und Verzweiflung, den Durst des Landes und das Elend seines Volkes trägt er vor Gott. „Kleiner Ruf, der in den großen Himmel dringt“.
Aber es rührt sich nichts. Die gleißende Hitze steht über dem Wasser. Über dem weiten Meer ist nichts zu erkennen, und der Diener kehrt unverrichteter Dinge zurück. Aber Elija schickt ihn noch einmal und noch einmal hinaus, siebenmal: „Geh hinaus und schau auf das Meer!“ Hoffnung gegen alle Hoffnungslosigkeit. Beim siebten Mal schließlich zeigt sich in die Ferne eine winzige Wolke, nicht größer als eine Menschenhand. Und diese kleine Wolke bringt den großen Regen, der nach der überlangen Dürre das erstarrte Leben wieder aufbrechen, das vertrocknete Land wieder aufblühen lässt. „Kleine Wolke, die den großen Regen bringt"
Diese unscheinbare Szene, verehrte Hörerinnen und Hörer, spricht mir von der Not und Notwendigkeit unseres Betens: „Ich rufe zu Dir, und du gibst keine Antwort. Ich bete, doch du bist mir fern. Ich bestürme den Himmel, doch der Himmel bleibt verschlossen“. Es ist eine Not mit dem Beten. Manchmal könnte man schier verzweifeln, wenn andere einem noch süffisant oder sarkastisch zu verstehen geben: „Das hat ja doch keinen Zweck!“ - Und kommen uns oft genug nicht auch selbst Zweifel? „All das Beten bringt doch nichts. Der Krebs lässt sich nicht aufhalten. Die Ehe geht doch auseinander. Auf alle Bewerbungsunterlagen gibt es doch nur wieder Absagen ...“
Von Elija kann ich lernen, dranzubleiben, im Beten nicht nachzulassen, mich nicht um meine Hoffnung und mein Vertrauen in Gott bringen zu lassen: Kleiner Ruf, der in den großen Himmel dringt. - Kleine Wolke, die den großen Regen bringt.
Am Ende hat der Himmel ein Einsehen, und noch während sich der Himmel verdunkelt und der große Regen einsetzt, gürtet Elija sich zum Aufbruch, bereit dorthin zu gehen, wo Gott ihn als nächstes braucht. Am Ende steht für den Mann Gottes nicht die Klausur weltabgewandt Innerlichkeit. Er geht vielmehr hinein in die Fragen der Zeit, die Not und die Sorgen der Menschen, die er mitnimmt in den Ruf, der in den Himmel dringt.
Beten, Ausschau halten, Aufbrechen – ich erkenne darin die Grundbewegungen gläubiger Existenz:
- sich nach innen kehren, den Himmel bestürmen
- sich ausstrecken, genau hinschauen, wo Gott bereits am Werk ist
- nicht dabei stehen bleiben wenn mein Gebet Erhörung findet, sondern bereit sein, je neu aufzubrechen, wie und wohin es mich von Gott her drängt.
Ich wünsche uns, dass solches Beten den Himmel rührt.