1. Gott spricht: seht, ich mache alles neu
„Auch im neuen Jahr - die alten Gesichter ...“
Verehrte Hörerinnen und Hörer,
diese etwas flapsige Bemerkung in der Sylvesternacht hatte mich - zugegebenermaßen - etwas geärgert.
Wir hatten am Sylvesterabend zusammen gefeiert und auf das neue Jahr angestoßen, und jeder erzählte von seinen Plänen, den bevorstehenden Ereignissen, den hochgesteckten Erwartungen an das neue Jahr.
Als einer dann etwas trocken bemerkte, er sehe sie schon vor sich, auch im neuen Jahr, die alten Gesichter, fand ich das in dem Moment nicht besonders witzig.
Doch eigentlich hatte er gar nicht so sehr unrecht. Denn so sehr wir uns auch mühen, beim Jahreswechsel eine Zäsur zu machen, Altes hinter uns zu lassen und - zumindest für die Länge eines Feuerwerks - ein neues, fröhliches Gesicht aufzusetzen, es wirkt doch eben aufgesetzt, künstlich. Und nachdem das neue Jahr bereits ein paar Wochen alt ist, hat es auch schnell den Glanz des Neuen eingebüßt.
Denn so sehr ich mich dem Neuen entgegenstrecke: die Spuren des Alten gehen mit in jede neue Zeit.
Wir nehmen sie mit, unsere alten Gesichter, mit all den Ecken und Kanten, den Runzeln und Falten, geprägt vom Leben mit all dem Schönen und Schweren, aber auch von unseren Hoffnungen und Sehnsüchten.
Wenn da von etwas wirklich Neuem die Rede ist, wie es die Gebetswoche für die Einheit der Christen verheißt, mag man aus Erfahrung skeptisch sein. Doch das ist diesmal nicht ein Versprechen vom Werbeplakat oder aus der Wahlkampfzeitung, sondern aus dem letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes, dem Hoffnungsbuch für Christen aller Zeiten: Gott spricht: „Seht, ich mache alles neu“: Für ihn gibt es offenbar kein Alter und kein Vergehen: für ihn ist immer Gegenwart, er ist immer im Kommen, auch im Neuen Jahr, und er haucht uns Leben ein: Mut, Zuversicht, Lebensfreude. Was auch geschieht, worunter wir zu leiden und woran wir zu tragen haben: Gott hat die Kraft, Neues zu schaffen, und auch unseren alten Gesichtern wieder Glanz, Farbe und Strahlkraft zu geben.
„Seht, ich mache alles neu“ - das klingt wie eine Verheißung. Es ist eine Ermutigung auch für die Christen der verschiedenen Kirchen, die unter diesem Motto derzeit zusammenkommen, miteinander in der Bibel lesen und um die Einheit im Glauben beten. Denn auch die Kirchen haben ihre Geschichte: Wunden und Narben, die sie im Streit davongetragen haben. Runzeln und Falten, die sie vielen altmodisch und altbacken erscheinen lassen. Aber es steckt auch eine Kraft in ihnen: der Wille zur Erneuerung und Einheit, im Vertrauen auf die Zusage Gottes, der auch heute Neues schafft.
„Auch im neuen Jahr die alten Gesichter“: Es sind unsere Gesichter, verehrte Hörerinnen und Hörer, die wir mitnehmen in jede neue Zeit und auch in jeden neuen Tag, in einen Tag wie diesen, an dem Gott auf uns zukommt, der die Kraft hat, in uns Neues zu wirken.