| Kirche in WDR 2-5

1. „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne...“

„Mose auf der Spur“

Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer. Ich hoffe, daß dies ein guter Morgen ist, dass Sie mit Optimismus und Zuversicht in den Tag und in die neue Woche gehen können.

Für den einen ist es die heitere Gelassenheit dessen, der sich auf den Urlaub und die verdiente Arbeitspause freut - oder etwa die frohe Erwartung eines lieben Menschen. Für den anderen sind es vielleicht dumpfe Vorahnungen, die Gewißheit, daß die Trauer von gestern oder die Schmerzen der Nacht mitgehen werden auch in diesen neuen Tag.

Für andere schließlich ist es der gleiche Trott, mit dem dieser Tag anfängt wie schon tausend andere vor ihm. Jeder hat seine eigenen Erfahrungen, Erwartungen und Hoffnungen, die ihn tragen und begleiten - oder auch Erinnerungen: zum Beispiel daran, daß das Leben lebens- und liebenswert ist.

„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben“, heißt es in einem Gedicht von Hermann Hesse. Dieser Zauber des Anfangs: Könnte nicht auch er ein Begleiter durch den Tag sein? Die Erinnerung an jenen Glanz, der schon vom ersten Tag an über unserem Leben liegt?

Wenn ich an meinen Lebensanfang denke, dann war mein Leben schon bei der Geburt gefährdet. Aus dem Tagebuch meiner Mutter weiß ich, daß damals bereits mein Leben und das meiner Mutter auf dem Spiel stand. Von dem Kaiserschnitt, der uns beiden das Leben gerettet hat, habe ich eine kleine Narbe zurückbehalten. Eine Narbe, die mitgewachsen und gut sichtbar ist: die mich eben daran erinnert: an den Zauber, der mein Leben schon vom ersten Tag an begleitet: die Liebe meiner Mutter, die Obhut eines Gottes, „der mich beschützt und der mir hilft zu leben“.

An diese kleine Narbe mußte ich denken, als mir vor einiger Zeit die Geschichte des jungen Mose wieder in den Sinn kam: jenes Säuglings, damals im alten Ägypten, der nicht wie alle anderen hebräischen Knaben auf den Befehl des Pharao sofort nach der Geburt getötet wurde, sondern von seiner Mutter in einem Binsenkörbchen ausgesetzt wurde - und so überlebte! Auf wunderbare Weise wurde er aus dem Nil gefischt: und von der Tochter des Pharao großgezogen.

„Mose“ - das heißt wörtlich: der „Herausgezogene“. Und ich denke mir, sein Name wird ihn zeitlebens daran erinnert haben, daß Gott es ist, der rettet und heilt und der es gut mit uns meint.

Meine Hörerinnen und Hörer, ich wünsche, daß etwas von diesem Zauber mitgeht, wenn wir diesen neuen Tag in Angriff nehmen. Und vielleicht entdecken Sie auch in Ihrem Leben Spuren eines solchen Zaubers und lesen darin die Handschrift des Gottes, der Sie liebt.

Mose - der „Herausgezogene“. Für mich steht dieser Name für ein Programm, ein Lebensprogramm: Für die Gewißheit, daß dieser Morgen wie jeder andere gar nicht schlecht anfangen kann. Er hat bereits gut begonnen - was immer heute noch dazukommen mag.

Es ist bereits ein „guter Morgen“. Den wünsche ich Ihnen.