| Anzeiger für die Seelsorge

Jugendsynode

Kolumne

Eure Söhne und Töchter werden Propheten sein,
eure Alten werden Träume haben
und eure jungen Männer haben Visionen.“
(Joel 3,1).

Offensichtlich der Traum eines „Alten“, der darauf vertraut, dass Gott auch heute seinen Geist ausgießt – in einer Kirche, in der die Jungen zu Propheten werden und Visionen entwickeln für das Miteinander in Kirche und Gesellschaft. Mit eben jenem Prophetenwort, uns aus der Pfingstliturgie geläufig, hatte Papst Franziskus im März die Jugend-Vorsynode eröffnet, und es hat ja durchaus pfingstlichen Charakter, wenn ein betagter Papst den Schulterschluss mit der jungen Generation sucht, um „die Logik des 'schon immer so'“ in der Kirche zu überwinden[1].

Je älter und größer eine Institution ist, das lehrt die Organisationspsychologie, desto mehr drohen Verfestigung, Verkrustung und Erstarrung, desto raumgreifender und lähmender wirkt die Dominanz des Bestehenden und einmal Bewährten, desto schlagkräftiger ist das Argumentationsmuster des „immer so“. Begründungsbedürftig ist immer nur das Neue, die Veränderung, nie das Bestehende. Insofern darf man gespannt sein, ob es dem Papst im Verein mit der Jugend gelingt, auf der Synode aus dem Korsett verfestigter Strukturen, Gewohnheiten, Denkmuster ... auszubrechen, ohne deswegen aufzugeben, was gut, wahr und heilig ist. Was Papst Johannes XXIII. einst als die Figur des „Aggiornamento“ in den kirchlichen Diskurs eingebracht hat: dass die Kirche sich je neu im „Heute“ den gesellschaftlichen Herausforderungen stellt, greift auch Papst Franziskus auf, wenn er mehr als einmal betont, „wir müssen eher Prozesse in Gang bringen als Räume besetzen. Gott offenbart sich in der Zeit und ist gegenwärtig in den Prozessen der Geschichte. Das erlaubt, Handlungen zu priorisieren, die neue Dynamiken hervorrufen“ (29.8.2013)[2]. Dabei scheint es, dass der Papst nicht minder ungeduldig ist, eben solche Prozesse zu befördern und neue Wege zu gehen, auch gegen Widerstände. In der jungen Generation, in ihrem Idealismus und ihrer Bereitschaft, sich der Dynamik des Geistes anheimzugeben, sieht der Papst offensichtlich Verbündete in seinen Reformbemühungen, wie man nicht erst seit den letzten beiden Weltjugendtagen weiß. „Junge Menschen sind betroffen von und befassen sich mit Themen wie Sexualität, Sucht, gescheiterte Ehen, zerbrochene Familien wie auch größeren gesellschaftlichen Problemen wie organisierter Kriminalität, Menschenhandel, Gewalt, Korruption, Ausbeutung, Frauenmord, allen Formen von Verfolgung sowie Umweltzerstörung“, wie es in dem Abschlussdokument der Vorsynode heißt (Nr. 1). Sie „sind es gewohnt, Verschiedenheit als Reichtum zu erkennen“ und erwarten von der Kirche, dass sie sich „in einer pluralistischen Welt [...] für Toleranz und Dialog“ einsetzt (Nr.2), ja sie „sehnen sich nach einer Kirche, die eine lebendige Zeugin dessen ist, was sie lehrt“ (Nr. 7) . Ihr Appell richtet sich explizit an die Hierarchie: „Seid transparent, offen, ehrlich, einladend, kommunikativ, zugänglich, freudig und eine Gemeinschaft im Austausch. Eine glaubwürdige Kirche hat keine Angst, als verletzlich zu gelten.“ (Nr.11). Themen, die auch Papst Franziskus sich zu eigen macht und sie u.a. mit schonungsloser Offenheit in seinen Weihnachtsansprachen an die römische Kurie benannt hat. Denn „die Klage darüber, wie barbarisch die Welt heute sei,“ so der Papst selbstkritisch, „ will manchmal nur verstecken, dass man in der Kirche den Wunsch nach einer rein bewahrenden Ordnung, nach Verteidigung hat. Nein - Gott begegnet man im Heute.“

Wir dürfen gespannt sein, ob und wie es dem Papst gelingt, die Dynamik der Jugend für die „Kirche in der Welt von heute“ (vgl. GS) fruchtbar zu machen und umgekehrt die Wahrheit und Weisheit der Kirche den jungen Menschen als Lebens- und Sinnhorizont näherzubringen und sie mit der Kraft des Geistes zu inspirieren. „Eure Alten werden Träume haben“, und es ist nicht ausgeschlossen, dass manche dieser Träume wahr werden, auch und gerade in der Kirche ...

 

[1] Abschlussdokument des Vorbereitungstreffens der Bischofssynode, Rom, 19.-24. März 2018 (24.3.2018, hg. Deutsche Bischofskonferenz, Bonn)
[2] Antonio Spadaro SJ , Das Interview mit Papst Franziskus, 19., 23. und 29. August 2013 Teil 2, in: Stimmen der Zeit, HERDER 2013 - Aktualisiert am 22.01.2018.