Neu anfangen: Björn
Weihnachten: Für die einen ist es das Fest unserer Erlösung; für die anderen lediglich der Beginn unserer Zeitrechnung. Und wieder anderen ist auch das ziemlich egal.
Ich muss an einen Jugendlichen aus einer früheren Gemeinde denken; ich nenne ihn hier Björn. Er wollte seinen 18. Geburtstag gern in unseren Jugendräumen feiern, aber weil er selbst bis dahin kaum Kontakt zur Kirche hatte, schickte er seine Schwester vor, die in der Gemeinde aktiv war. Ich spielte gerne mit.
Die Party stieg an einem Samstagabend im Advent. Ich selbst war noch in der Gemeinde unterwegs, so dass ich erst später am Abend vorbei schaute. Wie das so üblich war, kam man dort mit relativ wenig Licht aus, so dass ich zunächst unerkannt unter den Gästen war, mit diesem oder jenem sprach, bis ich erkannt wurde: „Der Vikar ist da!“, hörte ich das Geflüster, auf dass der Gastgeber sich bemüßigt fühlte, mich zu unterhalten. Ich ließ mir das auch gefallen, denn ich wollte ihn kennen lernen, diesen Björn. Ich weiß nicht, worüber wir im einzelnen gesprochen haben. Jedenfalls habe ich ihm gesagt, dass wir gerade solche Typen wie ihn in der Gemeinde gut brauchen könnten. Ich lud ihn zu einer Wanderung mit Bibel und Rucksack ein, und möglicherweise aus Höflichkeit, vielleicht aber auch aus Interesse sagte er zu.
Die Wanderungen von Jugendherberge zu Jugendherberge, die Gespräche unterwegs, das Zusammensein mit Gleichaltrigen und Gleichgesinnten fand er cool. Dass die Texte aus der Bibel zwar alt, aber keineswegs veraltet sind, dass Kirche und Glaube nicht nur verstaubt sind, sondern eine Perspektive für ein erfüllendes, gelingendes Leben bieten: all das war neu für ihn - faszinierend, aber auch herausfordernd.
Bald tauchte er regelmäßig in der Kirche auf; wir sprachen persönlich über seine Fragen und Probleme. Und so war es nur folgerichtig, dass er irgendwann den Wunsch hatte, vor Gott reinen Tisch zu machen und neu anzufangen. Ich sehe ihn noch, wie er am Ende eines langen Beichtgesprächs eine ganze Weile sitzen blieb und sich verstohlen eine Träne aus dem Auge wischte. Eine zentnerschwere Last, die er seit Jahren mit sich herumgeschleppt hatte, war von ihm abgefallen.
Beichte – ein unangenehmes Thema, peinlich, weil ein Eingeständnis von Schuld und Schwäche. Aber kann jemand erahnen, wie befreiend es ist, wenn man sich alles einmal von der Seele reden, sich aussprechen kann? Im Gespräch mit jemandem, der Zeit hat, der zuhört, nicht aus persönlicher Neugier oder beruflichem Interesse. Mit jemandem, der im Namen Gottes Schuld vergeben kann – und es auch tut. Am Ende der Beichte steht kein Therapieplan, auch nicht das vertröstende Wort „Das kriegen wir schon wieder hin“ oder „Wir arbeiten daran“. Am Ende steht die bedingungslose Zusage Gottes: „Deine Sünden sind dir vergeben. Geh hin in Frieden.“ – Wo das geschieht, da kommt Gott an, nicht nur für Björn, und auch nicht nur an Weihnachten.