Lexiconartikel, Johannes Chrysostomus
Johannes Chrysostomus, hl. (Fest am 13. Sept.), Kirchenlehrer, Patriarch v. Konstantinopel, * 349/350 Antiochien, + 14.9.407 Komana. (Pius V, 1568 im Breviarium Romanum). Patron der Prediger (Pius X, 1908 in: ASS 41,594f.,
Leben: Aus einer wohlhabenden Offiziersfamilie stammend, wächst J. in der spätantiken Gesellschaft des hellenistisch geprägten Antiochien auf. J. erhält auch nach dem frühen Tod des Vaters Secundus eine standesgemäße philosophische und rhetorische Ausbildung, vermutlich auch bei dem berühmten Rhetor Libanios,der ihn mit der stoischen Schultradition und der Kunst der Diatribe vertraut macht.
Von seiner Mutter Anthusa christlich erzogen, ist er in den Wirren des (durch den Arianismus hervorgerufenen) Antiochenischen Schismas dem Bischof Meletios und seiner Gemeinde verbunden, wo er 367/368 die Taufe empfängt. Prägend ist hier auch der Umgang mit Flavian und Diodor, seinem theologischen und geistlichen Lehrer, dessen christlicher Asketenschule er sich in der Folge anschließt. Fasziniert vom asketischen Vollkommenheitsideal zieht sich J. 372, obwohl kurz zuvor zum Lektor beauftragt (371/372) und damit für den kirchlichen Dienst vorgesehen, in die Einsamkeit zurück. Vier Jahre lebt er als Zönobit in einer Mönchsgemeinschaft, danach zwei weitere Jahre, in denen er „die Testamente Christi ganz auswendig lernte“ (PG 47,18), allein als Anachoret. Eine durch übermäßige Abtötung ruinierte Gesundheit zwang ihn schließlich zur Aufgabe des Eremitenlebens (378) - für Palladios „das Werk des Erlösers“ (ebd.). Meletios, der ebenfalls 378, dem Todesjahr Kaiser Valens´, aus dem Exil zurückkehrte, nahm J. wieder auf und weihte ihn 380/381 zum Diakon. In dichter Folge entstehen Abhandlungen vorw. asketischen Inhalts, den versch. Ständen im Gottesvolk gewidmet. Mit seiner Priesterweihe 386, die ihm der Nachfolger des inzwischen verstorbenen Meletios, Flavian, spendet, entfaltet J. eine eindrucksvolle Wortverkündigung. J. stand schon bald im Ruf eines begnadeten Seelsorgers und Predigers, dem die Nachwelt seit dem 6. Jhd. den Beinamen „Chrysostomos“ (Goldmund) beilegte. Als 397 in der Reichshauptstadt die Entscheidung der Nachfolge des verstorbenen Bischofs Nektarius anstand, wählte Kaiser Arkadius den J. und ließ den ahnungslosen Presbyter sogleich nach Konstantinopel entführen.
Die Weihe spendete ihm 381 sein ärgster Widersacher, der Patriarch von Alexandrien, Theophilus. Als Bischof widmete J. sich mit großem Eifer der inneren Reform in seinem Bistum. Seine bischöfliche Sorge galt in erster Linie den Geistlichen, aber auch den Mönchen, Jungfrauen, Witwen, von denen er eine ihrem jew. Stande gemäße untadelige Lebensführung verlangte. Er richtete Hospize für Kranke, Bedürftige und Fremde ein, zu deren Finanzierung er auch Kirchengut verkaufte. Sein Appell galt allen Gläubigen, auf übertriebenen Reichtum zu verzichten und sich der Armen anzunehmen. J. beauftragte gotische Geistliche mit der Evangelisierung der zahlreichen fremden Söldnern in der Hauptstadt und gab ihnen eigene Kirchen. In der Stadt erlebte nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Gebetsgottesdienste und nächtlichen Prozessionen einen Aufschwung. Auch in der weiteren Kirchenprovinz erwirkte er 400/401 die Ablösung von sechs simonistischen Bischöfen durch integere Nachfolger.
Es blieb nicht aus, daß J. in seiner direkten und undiplomatischen Art und Sprache bald mit der Staatsmacht in Konflikt geriet. War er wegen seiner Eloquenz anfangs bei Hofe geschätzt, so wurde er den Mächtigen, allen voran der Kaiserin Eudoxia, aufgrund der eindringlichen und einfordernden Botschaft bald ein unbequemer, mit der Zeit unerträglicher Mahner.
Sein Eintreten für eine gerechte Behandlung von ägyptischen Mönchen, die des Origenismus beschuldigt wurden, diente Theophilus zum Vorwand, um gegen J. selbst vorzugehen und ihn schließlich auf der sog. „Eichensynode“ 403 in Abwesenheit verurteilen und absetzen zu lassen. Die vom Kaiser veranlaßte 1. Verbannung des J. wurde aber aufgrund eines Unglückfalls im Kaiserpalast, als Gottesurteil gedeutet, schon tags darauf rückgängig gemacht. Doch schon 2 Monate später setzten erneut Intrigen ein, die 404 schließlich zur endgültigen Verbannung nach Kukusus an der armenischen Grenze führten. Noch als Verbannter setzte er sich für die Mission in den heidnischen Gebieten, bes. Thrakien und Phoinikien, ein und versuchte Mönche für die Evangelisierung zu gewinnen. So hatte J. auch im Exil vermittels seiner Predigten und zahlreichen Briefe maßgeblichen Einfluß bis hin zur Hauptstadt, wo seine Anhänger, allen voran die getreue Diakonisse Olympias, großen Bedrängnissen und Repressalien ausgesetzt waren. Dies führte schließlich zum Beschluß, J. in den Kaukasus, nach Pityus am Schwarzen Meer, zu deportieren: mit dem eigentlichen Auftrag, den bereits von Krankheit und Auszehrnung Gezeichneten zu Tode zu schleifen. Am 14. September 407 stirbt J., in einer Märtyrerkapelle aufgebahrt, unweit von Komana am Pontus: mit Worten, wie er sie in der letzten Zeit des Exils immer wiederholt hatte, die ihm zur Grundhaltung seines Lebens geworden waren: „Gott sei verherrlicht - für alles. Amen."
Der Radikalität in der persönlichen Lebensführungentspricht seine leidenschaftliche, sich selbst wie den Hörern alles abverlangende Verkündigung. Die Person des J. ist von seiner Borschaft nicht zu trennen: Die Verkündigung ist sein Leben. Die entscheidende Forderung seiner Verkündigung ist das authentische Leben des einzelnen Gläubigen wie der Kirche insgesamt.
Themenvielfalt und Facettenreichtum seiner bildhaften Sprache
biblische Zentrierung
erdrückende Monumentalität des Gesamtwerkes
Unter den griechischen Vätern hat keiner ein umfangreicheres Werk hinterlassen, im lateinischen Westen allein Augustinus.
- 16 (15) Abhandlungen
- mehr als 700 sicher authentische Predigten
- drei Kommentare zu Büchern der hl. Schrift
- 240 (236+3) Briefe
Diese Einteilung seiner Werke entspricht in etwa der zeitlichen Aufeinanderfolge ihrer Abfassung.
Konsequenz, mit der J. ganze bibl. Bilder durchgepredigt hat, läßt systematische Neigung erkennen
Veröffentlichung seiner ausschließlich von katechetischem Interesse geleitete Schrifterklärung keine gesicherte Chronologie möglich
innerhalb der Lehre des J. keine Entwicklung feststellbar
Die meisten der 15/16 Abhandlungen vorwiegend asketischen Inhalts fallen in die früheste literarische Schaffensperiode (zwischen 378 und 386). In ihnen behandelt er die Lebensform der einzelnen Stände: zunächst der Mönche (Ad Theodorum lapsum, 1-2; Adversus oppugnatores vitae monasticae, 1-3; Ad Demetrium de compunctione, 1; Ad Stelecium de compunctione,2; Ad Stagirium a daemone vexatum, 1-3), nach der Diakonenweihe dann das Leben der Jungfrauen und Witwen (De virginitate; Ad viduam iuniorem; De non itinerando coniugio). Die von Hieronymus bereits 392 gerühmte Reformschrift De sacerdotio (1-6) über das kirchliche Amt entsteht wohl noch vor der Diakonenweihe (nach Lochbrunner,117.354 zwischen 378 und 381), ebenso die beiden Abhandlungen gegen das Syneisaktentum(Contra eos qui subintroductas habent virgines; Quod regulares feminae viris cohabitare non debeant).
Wohl erst als Presbyter verfaßt J. apologetische Schriften (De S. Babyla contra Iulianum et gentiles; Contra Iudaeos et gentiles quod Christus sit deus) sowie eine religionspädagogische Schrift (De inani gloria et de educandis liberis), ursprünglich wohl Bestandteil der Homilienreihe zum Epheserbrief.
Aus der Zeit des Exils stammen schließlich zwei Trostschriften (Quod nemo laeditur nisi a seipso; Ad eos qui scandalizati sunt).
Nach seiner Weihe zum Presbyter (386) widmet sich J. fortan der Schrifterklärung im Gottesdienst. Seine über 18 Jahre sich hinziehende Verkündigung (386-404)weist weder innere Brüche noch größere Entwicklungen auf. Selbst seine Erhebung zum Bischof (397) hinterläßt keine tiefergreifenden Spuren in seinen Homilien, was eine gesicherte Chronologie der einzelnen Homilienreihen verunmöglicht. Aufgrund ihrer rein pastoralen Ausrichtung bieten sie für eine genaue Datierung. Immerhin lassen die spärlichen biographischen Andeutungen und Hinweise eine gewisse Reihenfolge der Kommentare erkennen.
Danach fallen in die antiochenische Zeit der Verkündigung die Reden (6) und Homilien (67) zur Genesis, die Homilien zum Matthäus- (90) und zum Johannesevangelium (88), zum Römerbrief (32), zum 1. und 2. Korintherbrief (44 bzw. 30), der wahrsch. aus Homilien entstandene Kommentar zum Galaterbrief, die Homilien zum 1. und 2. Titusbrief (18 bzw.10), zum Titus- (6) und zum Epheserbrief (24).
In Konstantinopel hat J. nach allg. Einschätzung die Homilien zum Philipper- (15), Kolosser- (12), zum Philemonbrief (3), zum 1. u. 2. Thessalonicherbrief (11 bzw. 5), zur Apostelgeschichte (55) und zum Hebräerbrief
von Stenographen mitgeschrieben (Tachygraphie).
Aus der Überlieferung der Texte läßt sich nicht immer mit Gewißheit entscheiden, welche Reden tatsächlich vor der Gemeinde gehalten worden sind, oder welche das Werk schriftstellerischer Tätigkeit war.
zumeist lectio continua
Neues Testament: Zum Corpus Paulinum liegen 244 Homilien vor (die Erklärung zum Galaterbrief nicht mitgerechnet), zur Apostelgeschichte 63, zum Evangelium des Matthäus 90, des Johannes 88.
Vorliebe zu Paulus: zu allen Paulusbriefen liegen vollständige Kommentarreihen vor (244)
datieren sämtlich aus der Zeit des Exils.
J. Wirken fällt in die Zeit zwischen den großen trinitätstheol. und christolog. Auseinandersetzungen (Konzil von Konstantinopel, 381 bzw. Ephesus 431; Chalcedon 451). Seine Schriften dokumentieren den Ende des 4.Jhd. erreichten Stand der Dogmenentwicklung. Wenn nötig, etwa zur Abwehr von Häresien (Anhomöer), weicht J. theologischen Streitfragen aus und bewegt sich sicher in der theologischen Begrifflichkeit. Verwendung einer angemessenen Begrifflichkeit zur Ausformulierung seiner Gedanken Aber ihm liegt nichts an der spekulativen Durchdringung der Glaubensgeheimnisse
Wichtige theologische Begriffsbildungen sind ihm durchaus geläufig: zeigt, daß er mit der Glaubenslehre denkerisch umgehen konnte und daß seine Verk. am Dogma Maß nimmt. seine pastorale Ausrichtung: Lebens-Hilfe.
Vertreter der antiochenischen Exegetenschule: an der Auslegung der Schrift und deren Adaptierung im je eigenen Leben gelegen
Theologie des J. trägt doxologischen Charakter; Gegenbild des theologischen Rationalismus. Preisende Anerkennung der Unbegreiflichkeit Gottes
Wer ist eingebunden in die Verkündigung der Liturgie
Schriftbetrachtung unter Verzicht auf Allegorese; Vorliebe für Typologie (Bedeuttung eines Texets innerhalb des göttl. Heilsplans)
farbige Fülle der Sprache
meisterliche Beherrschung der griechischen Sprache
Sinn für das Geheimnis
notwendige Bescheidung Gründlich verkannt, wenn sein Aufrufen zu e. geistlichen Ideal verkürzt wird zu einem bloßen Moralismus.
gegen jeden Moralismus einer deduktiven Verkündigung
bipolare Quelle, aus denen sich das Leben der Christen speist: Verwurzelung im Mysterium und Verwiesenheit auf die Koinonia
Sein Streben greift über den engen Berich der Moral hinaus: zielt auf die Einleibung in Christus durch die zur Lebensform werdende Übung der Gebote des Evangeliums.
Verkündigung: appellativ, getragen und ermöglicht vom den Hörern zugesagten Heilsindikativ
Seelsorger
begleitende, verstehende Seelsorge
gesitliche Seelsorge: totales Engagement für die Kirche und radikales Sich-Verlassen in die Führung Gottes
gemeindebildende und gesellschaftsverändernde Kraft seiner Verkündigung
Seine Verkündigung ist primär Schriftauslegung