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Die Mär vom Sommermärchen

Kolumne

Aus und vorbei! Sie haben alles gegeben, haben großartig gespielt - und am Ende unglücklich verloren, durch ein Last-Minute-Tor in der Nachspielzeit. Doch die Spieler der deutschen Mannschaft können mit erhobenem Haupt vom Platz gehen. Bei aller Trauer über das Ausscheiden schwingt auch Stolz mit, denn sie haben Charakter gezeigt und ihr Publikum begeistert. Und so spricht man am Ende bereits von einem neuen Anfang, und die Fans goutieren es.

Es hätte ein Sommermärchen sein sollen, den Menschen Glücksgefühle herbeizaubern und das krisengeschüttelte Land mit einem breiten Lächeln überziehen sollen. Manch einer mag sich nun enttäuscht abwenden und unmittelbar nach dem Ausscheiden der deutschen Mannschaft in den Urlaub aufbrechen. Andere werden vielleicht ihre Deutschland-Fähnchen abmontieren und am weiteren Turnierverlauf das Interesse verlieren. Doch das muss nicht so sein, denn dass aus der Europameisterschaft ein Sommermärchen wird, liegt ja nicht nur an den Spielern auf dem Platz, sondern an uns allen, die wir uns von der bunten Vielfalt und dem Zusammentreffen begeisterter Fußballfans aus ganz Europa haben anstecken lassen. Was für eine ausgelassene Stimmung, wo die Fans in bunten Trikots ihre lauten Gesänge anstimmen und fröhlich miteinander feiern! Eine wunderbare Atmosphäre auf den Straßen und Plätzen, die sich auch auf andere überträgt, die mit Fußball eigentlich nichts am Hut haben.  

Märchen, so die Definition, sind „im Volk überlieferte Erzählungen, in der übernatürliche Kräfte und Gestalten in das Leben der Menschen eingreifen (und meist am Ende die Guten belohnt und die Bösen bestraft werden)“. Und solche Kräfte und Gestalten gab und gibt es ja auch in diesen Tagen, die einen nachhaltig positiven Eindruck hinterlassen haben. Bilder etwa von einem Fußballfan im Schottenrock, der einer alten Frau mit Rollator den Regenschirm hält, oder das Foto der aufgeräumten Kabine der rumänischen Mannschaft sich, die sich mit einem emotionalen Brief an die Gastgeber wendet, „dankbar für alles, was wir hier erlebt haben“ . Für sie war es, wie sie schreiben „eine Ehre, Teil der großen Familie des europäischen Fußballs zu sein.“

Das wäre doch etwas, das sich auch nach der Europameisterschaft noch fortsetzen könnte: eine positive Grundstimmung, „Teil der großen Familie“ zu sein und gelassen und großzügig über so manche Unvollkommenheit (selbst bei der Bahn!) hinwegzusehen. Beim Fußball kann es am Ende nur einen Sieger geben; aber an uns liegt es, aus diesem Fest ein Sommermärchen zu machen, an dem alle gewinnen. Einen Versuch wäre es wert.