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Haben wir verstanden?

Kolumne

Wir haben verstanden!“ – Das war der Paukenschlag, mit dem die Vorsitzenden der Grünen nach einer Reihe verlorener Wahlen ihren Rücktritt eingeläutet haben. Neben allseitigen Respektbezeugungen herrscht allerdings weithin ein Gefühl lähmender Ratlosigkeit: dass es zwischen dem Wahlvolk und den um die Wählergunst buhlenden Parteien erhebliche Kommunikationsstörungen, ja kaum noch eine Verständnisgrundlage gibt. Da gehört zum Ritual am Wahlabend das halbherzige Schuldeingeständnis, man habe das Regierungshandeln eben „nicht genügend erklärt“. Die darin versteckte (vergiftete) Botschaft an die WählerInnen: Ihr habt nur nicht richtig „verstanden“, wie gut unsere Politik, wie gutgemeint unsere Absichten sind. - Eine dreiste Form der Hybris.

Doch wer was verstanden oder nicht verstanden hat oder nicht verstehen will …: das ist mehr als nur der Abgleich unterschiedlicher Positionen. Gelingende Kommunikation ist vor allem eine Frage der Haltung, des aufrichtigen und empathischen Verstehenwollens als ein Sich-Einlassen auf das Gegenüber. Das erfordert ein Ernstnehmen des jeweiligen Gesprächspartners und die Bereitschaft, sich auf einen Prozess einzulassen, dessen Ergebnis man nicht voraussehen und auch nicht vorwegnehmen kann. Dagegen ist die unausgesprochene Botschaft „Ich weiß schon, was für dich gut ist“ purer Paternalismus, und man darf sich nicht wundern, wenn andere diese Einstellung durchschauen und sich dagegen wehren.

Jene (kaschierte) Haltung des Besserwissens, was sich in Ritualen der großen Politik oft selbst entlarvt, darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies auch in unserer Alltagskommunikation der Grund für so häufiges Miss-Verstehen ist. Denn es geht nicht darum, den anderen „mundtot“ zu machen. Entscheidend ist vielmehr eine wertschätzende Grundhaltung, das ehrliche Interesse am anderen, seinen Einsichten, Bedenken, Vorbehalten, ohne bereits im Hören die Gegenposition zu formulieren. Zugegeben, als Kirche haben wir oft gerade diese Einstellung vermissen lassen: überzeugt, im Besitz der Wahrheit zu sein, die dem anderen nur noch „beigebracht“ werden muss. Vielleicht ist das gerade der Dienst der Säkularität, die uns verstehen lässt, dass Wahrheit, Weisheit, Erkenntnis sich je neu ereignet, als ein Geschenk. Mit den Worten des früheren Bischofs Klaus Hemmerle: „Lass mich dich lernen, dein Denken und Sprechen, dein Fragen und Dasein, damit ich daran die Botschaft neu lernen kann, die ich dir zu überliefern habe.“ Ein wahrhaft anspruchsvoller, aber ehrlicher Verständigungsprozess!