| Ruhr Nachrichten

Spielen mit den Schmuddelkindern?

Kolumne

Nun haben also selbst Marine Le Pen und Frankreichs Rechtsnationalisten die Schmuddelkinder der deutschen Parteienlandschaft entdeckt und rücken von ihnen ab. Das würde normalerweise einen Mitleidsreflex auslösen („arme AFD, keiner will mit dir spielen“). Doch die selbsternannte Alternative zu Zivilisation und Anstand hat sich derweil schon selbst in den Schmollwinkel zurückgezogen und zelebriert ihren Opferstatus als das ungeliebte Kind im politischen Parteienspektrum.

Mit dem geheimen Stolz eines „Underdogs“ lässt sich, wie man sieht, auch politisch durchaus Kapital schlagen, als vermeintliche Stimme der Entrechteten und Benachteiligten; als gäbe einem die Attitüde des Kümmerers das Recht, die „bessere Gesellschaft“ mit völkischen Parolen und nationalistischen Gedanken zu überziehen. Doch jene Agitation aus der Schmuddelecke der Politik steht gerade nicht im Dienst des Menschen; ihr geht es nicht um das Wohl von Bürgergeldempfängern und prekär Beschäftigten, von Armen und Alten, von Schutzsuchenden und Schutzbefohlenen, sondern um „Blut und Boden“. Die Ideologie des völkischen Nationalismus dachte „Volk“ als eine „Ethnie“, als Gemeinschaft von ethnisch und kulturell Gleichen oder Ähnlichen. Das in diesen Tagen zu Recht gefeierte Grundgesetz unserer freiheitlichen Demokratie versteht „Volk“ dagegen als „Demos“: „als Gemeinschaft der Gleichberechtigen, die auf der Grundlage der Menschen- und Bürgerrechte unsere Gesellschaft gemeinsam aufbauen und gestalten.“

Damit haben nicht zuletzt die katholischen Bischöfe deutlich gemacht, dass sich unser Grundgesetz dem christlichen Menschenbild verpflichtet weiß, dem Grundsatz der unantastbaren „Würde des Menschen“: jedes Menschen und aller Menschen - unhintergehbarer Maßstab für ein Leben in Würde und gesellschaftliches Zusammenleben in Freiheit und Gerechtigkeit. Gerade „im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“, so die Präambel des Grundgesetzes, ist alle staatliche Gewalt verpflichtet, die „unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt“ zu schützen (Art 1 GG). Für Christen bemisst sich der Wert und die Würde von Menschen nicht an Leistung, Erfolg, Geldbeutel, Schönheit, Cleverness. Das Evangelium handelt von der Würde der Leidenden, der Scheiternden, der Behinderten, der Kranken, der Sterbenden, der Armen, und es muss das tiefste Bedürfnis sein, jeden Menschen aus der „Schmuddelecke“ von Vernachlässigung, des Übersehen- und Übergangenwerdens herauszuholen „Demokratische Gesellschaften brauchen Religion, Despotien nicht.“ (Alexis de Tocquevilles)