Zerrüttete Verhältnisse. Verspieltes Vertrauen.
„Es fällt uns schwer, zu vertrauen, weil wir durch so viel Verlogenheit verwundet sind.“ (DN 37) – Nein, das liest sich nicht als Analyse der US-Wahlen und findet sich auch nicht als politscher Kommentar zum Bruch der Ampelkoalition. Der Satz stammt aus der neuen Enzyklika „Dilexit nos“ von Papst Franziskus, der die Grundbefindlichkeit des heutigen Menschen in den Blick nimmt; aber er könnte auch eine Blaupause dessen sein, was wir momentan in den USA erleben – und auch bei uns.
Es stimmt: wir leben in einer verwundeten Gesellschaft, in der man einander – wie derzeit zu besichtigen - auf offener Bühne demütigt, diskreditiert, diffamiert. Das erinnert an manchen „Rosenkrieg“, an Szenen zerrütteter Ehen, die – wenn nicht als Traumhochzeit oder Liebesheirat, so doch als Zweckbündnis geschlossen – im Leben an der Wirklichkeit zerbrechen. Überzogene Erwartungen produzieren maßlose Enttäuschungen, und auf den Honeymoon folgt alsbald das böse Erwachen, wenn das Hochgefühl der Hoch-Zeit nicht eingetauscht wird in die kleine Münze gegenseitiger Achtung und Rücksichtnahme, auch da, wo man sich nicht versteht. Daher sollten Partner sich von Zeit zu Zeit daran erinnern, was bei Trauungen oft vollmundig gepredigt wird: „Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand.“ (1 Kor 13,4-8)
Was denen, die sich das JA-Wort geben, bleibende Mahnung ist, könnte doch auch Politiker:innen - erst recht, wenn sie miteinander koalieren – als Verhaltensregel für ein konstruktives Miteinander gelten. Es ginge schlicht um eine politische Kultur des Respekts, des Anstands, der Fairness, was ja im Übrigen auch von allen Bürgern in einem zivilisierten Land erwartet wird. „Es geht darum, zu einer gesellschaftlichen und politischen Ordnung zu gelangen, deren Seele die gesellschaftliche Nächstenliebe ist“, so Papst Franziskus (FT 180) - ohne Kraftmeierei, Selbstprofilierung und Selbstinszenierung.
Wer so unprätentiös, aber seriös und konstruktiv versucht, seinen Beitrag für ein gelingendes gesellschaftliches Miteinander zu leisten, der kann dann auch gelassen und auch ausgelassen den Beginn der Karnevalssession feiern oder sich mit einer Laterne dem Martinszug anschließen. Der erinnert schließlich an jenen streitbaren Soldaten, der von seinem hohen Ross herunterstieg und mit dem Armen seinen Mantel teilte: praktizierte „gesellschaftliche Nächstenliebe“ im besten Sinne!